Eine Besucherin anderer Welten

Lange Zeit war Sarah Schmidt die einzige Frau auf Deutschlands Lesebühnen - inzwischen sind manche gekommen und gegangen. Sie ist immer noch da
Uta Falck / Berliner Zeitung

Es gibt so viele Welten neben meiner eigenen", sagt die dunkelblonde Frau mit den frechen Augen und zupft kokett an ihrem kurzen Rock. "Schreibend kann ich die alle erleben: Ich könnte eine Leistungssportlerin sein oder eine tolle Vorzeigefamilie haben, die sich andauernd trifft." Aus solchen Tagträumen entstehen witzige Kurzgeschichten, die Sarah Schmidt jeden Sonntag auf der Lesebühne "Der Frühschoppen" vorträgt. Seit 16 Jahren präsentieren die "Frühschoppen"-Autoren ein monatlich wechselndes Programm aus Geschichten und Musik, vor der Sommerpause heißt es "Sommer, Sommer, sagt Frau Schmidt". Seit zehn Jahren gehört die 41-Jährige zur Belegschaft. Eine Kontinuität, auf die sie durchaus stolz ist.

Es war Ende der achtziger Jahre, als sich Sarah Schmidt mit den Autoren der "Reformbühne Heim und Welt" befreundete - als Fan zunächst und als Kritikerin. Irgendwann forderten die Freunde sie auf, doch selbst zu schreiben. "Mach ich!", war die mutige Antwort und die Leute lachten über ihre Erstlinge. "Sonst hätte ich das nicht weitergemacht."

Lange Zeit war Sarah Schmidt nicht nur die erste Frau auf Deutschlands Lesebühnen, sondern auch die einzige. Sie war die "Henne im Korb", das war schön. "Aber es war auch anstrengend, weil man für alle Frauen sprechen musste." Inzwischen gibt es auch Kolleginnen.

Nach Berlin kam die gebürtige Dinslakenerin als Elfjährige mit ihren Eltern und vier Geschwistern. Ohne Abitur, dafür 19-jährig schon Mutter eines Sohnes, kümmerte sich sie sich in den achtziger Jahren als Hausbesetzerin um den Erhalt des Bezirks Kreuzberg. Die Eltern sahen die Entwicklung ihrer Jüngsten gelassen: "Die waren abgehärtet, was die Erwartungen an ihre Kinder betraf."

Seit sechs Jahren betrachtet Sarah Schmidt das Schreiben als ihre Arbeit, als "gute, verlässliche Wurzel" und als "wunderbare, weite Beschäftigung": Vor zwei Jahren publizierte sie im Verbrecher-Verlag ihren ersten Roman "Dann machen wir's uns eben selber". Regelmäßig schreibt Schmidt für Tageszeitungen. Nebenbei arbeitet sie derzeit an "Bad Dates", einem Band mit Kurzgeschichten, und schreibt ein Theaterstück über die heroinsüchtige Sängerin Billie Holiday. Für die Tageszeitung "taz" füllt die bekennende Hertha-Anhängerin unter dem Titel "Sarah BSC" eine Fußball-Kolumne. "Ich stehe zu Hertha, das gehört sich so als Berlinerin."

Auch als Gag-Schreiberin für eine tägliche Anrufer-Show im Privat-Fernsehen wurde sie bereits engagiert. "Aber die Arbeit fürs Fernsehen ist nicht besonders interessant, die verkleistert den Kopf." Lieber denkt sie sich zusammen mit Kollegen wie dem Kabarettisten Horst Evers tief in andere Welten hinein.